Entdecken Sie Deutschland : Religionen

In Deutschland ist die Religionsfreiheit ein starker Grundsatz, aber der Laizismus wird nicht so ausgedrückt wie in Frankreich. Der Staat ist von allen Religionen getrennt, was jedoch nicht bedeutet, dass er keine Verbindung zu ihnen unterhält. Er organisiert Rahmen für den Dialog und erhebt Kultussteuern. Darüber hinaus können politische Parteien offen religiös sein, wie z. B. Angela Merkels Christlich Demokratische Union. Die Kirche behält also eine starke Stellung in der Gesellschaft, die 2005 noch verstärkt wurde, als Benedikt XVI, ein Bayer, zum Papst gewählt wurde. Der Anteil der Christen in der Gesellschaft nimmt jedoch stetig ab, zugunsten von Atheisten und Minderheiten wie Muslimen. Heute ist etwa die Hälfte der Bevölkerung christlich, aber aufgrund der starken historischen Dualität zwischen Katholizismus und Protestantismus bilden sie keine Einheit. Diese Dualität lässt sich übrigens auch auf geografischer Ebene, auf der Ebene der Bundesländer, beobachten.

Die Stellung der Religion in der Gesellschaft

Die Religions- und Glaubensfreiheit wird durch das Grundgesetz, das deutsche Äquivalent zur Verfassung, geschützt. In Artikel 3 über das Diskriminierungsverbot heißt es unter anderem, dass niemand wegen seines Glaubens oder seiner religiösen Anschauungen diskriminiert oder bevorzugt werden darf. Artikel 4 wiederum verteidigt die Freiheit des Glaubens und des Glaubensbekenntnisses und garantiert die freie Ausübung der Religion. Obwohl Religionsfreiheit herrscht, ist der Laizismus nicht so streng wie in Frankreich, da der Staat mit den verschiedenen Religionen zusammenarbeitet und einen neutralen Dialog führt. Beispielsweise bieten die meisten öffentlichen Schulen und Universitäten Religionsunterricht an. Wie viel Platz der Religion im öffentlichen Leben eingeräumt wird, hängt jedoch auch von den Entscheidungen der einzelnen Bundesländer ab, und einige von ihnen, hauptsächlich Berlin und Brandenburg, verfolgen einen strikteren Ansatz des Laizismus, der der französischen Sichtweise ähnelt.

In Deutschland ist die Religionsausübung nicht nur eine Freiheit, sondern auch mit Pflichten verbunden. Tatsächlich verlangt die Regierung von ihrer Bevölkerung, die Religion, der sie angehört, zu deklarieren. So wird seit 1919 für die Zugehörigkeit zu einer Religion eine Steuer von der Regierung erhoben und an die jeweilige Kirche abgeführt, die es den Gläubigen dann ermöglicht, die Dienste der Kirche in Anspruch zu nehmen. Juden, Protestanten und Katholiken sind dieser Steuer unterworfen, Muslime, orthodoxe Christen, Buddhisten und andere Minderheiten jedoch nicht. Als diese Bestimmungen eingeführt wurden, waren nämlich fast alle Deutschen der Kirche zugehörig, sodass andere Religionen nicht einbezogen wurden, was die Regierung nun zu korrigieren versucht. Diese Steuer, Kirchensteuer genannt, wird direkt von den Löhnen und Gehältern abgezogen und ihre Höhe wird von jedem Bundesland festgelegt. Die Steuer beträgt in der Regel zwischen 0,2 und 1,5 % des Einkommens. Um nicht mehr der Kirchensteuer zu unterliegen, muss man einen Antrag bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts stellen, aus dem Kirchen- oder Synagogenregister gestrichen und somit von den verschiedenen religiösen Zeremonien ausgeschlossen werden. Man hat dann keinen Anspruch mehr auf eine kirchliche Trauung oder Beerdigung, neben anderen Dienstleistungen. Tatsächlich bieten die Kirchen ihren Gläubigen zahlreiche Dienstleistungen an: Kindertagesstätten, Altenheime, Krankenhäuser, Schulen, Waisenhäuser und sogar ein Pressesystem. DerEvangelische Pressedienst für die protestantische Kirche ist mit seiner Tätigkeit seit 1910 der älteste Pressedienst des Landes, während die KatholischeNachrichten-Agentur seit 1952 tätig ist. Diese zahlreichen Dienste ermöglichen es den beiden Kirchen, weiterhin einen starken, wenn auch schwindenden Einfluss auszuüben. So macht beispielsweise allein das Krankenhausnetz der beiden Kirchen ein Drittel der Gesamtkapazität des Landes aus und beschäftigt rund eine Million Menschen. Darüber hinaus leistet die Regierung einen Beitrag zu den von den Kirchen angebotenen sozialen Diensten. Die Regierung unterhält eine neutrale Unterstützungsbeziehung zu den Kirchen, d. h. sie gehört keiner Religion an, erkennt aber deren Beitrag zur Gesellschaft an.

Im Jahr 2020 erhielt die christliche Kirche in Deutschland 12 Milliarden Euro aus der Kirchensteuer. Im Jahr zuvor hatte sie jedoch 800 Millionen mehr eingenommen. Das liegt daran, dass sich immer mehr Deutsche dazu entschließen, aus der Kirche auszutreten, zum Teil, um nicht mehr der Kirchensteuer zu unterliegen. Im Jahr 2019 baten 500.000 Bürger ausdrücklich darum, nicht mehr der katholischen oder evangelischen Kirche anzugehören. Ein Bericht aus dem Jahr 2021 beobachtete, dass fast ein Drittel der Gläubigen, die dieser Steuer unterlagen, bereits einen Kirchenaustritt in Erwägung gezogen hatte.

Seit den frühen 2000er Jahren gab es auch heftige Debatten um das Thema Abtreibung und die Stellung der Kirche in dieser Problematik. Tatsächlich ist Abtreibung in Deutschland illegal, wird aber bis zur 12. Woche straffrei gestellt und somit praktiziert. Bis vor kurzem wurden Frauen, die eine Abtreibung vornehmen wollten, von Abtreibungszentren betreut, die offen von der katholischen Kirche unterstützt wurden und versuchten, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Wenn die Frau an ihrem Entschluss festhielt, stellte die Kirche ihr eine Bescheinigung über das Gespräch aus, die den Schwangerschaftsabbruch ermöglichte. Diese Bescheinigung wurde sowohl von Nichtkatholiken, die argumentierten, dass Abtreibung eine Freiheit und eine persönliche Entscheidung sein sollte, als auch von Katholiken, die in diesen Bescheinigungen eine "Lizenz zum Töten" sahen, verpönt. Die Situation verursachte so viel Aufruhr, dass Papst Johannes Paul II. 1999 selbst entscheiden musste und die Schließung dieser Zentren forderte. In der aktuellen Abtreibungsdebatte auf der anderen Seite des Rheins plädiert die Kirche jedoch weiterhin dafür, dass Abtreibung illegal bleibt, eine Position, die früher von Angela Merkels Partei, der Christlich Demokratischen Union, unterstützt wurde.

Das Christentum zwischen Katholizismus und Protestantismus

Es war ein Deutscher, Martin Luther, der die protestantische Reformation im 16. Jahrhundert anführte. Im Jahr 1517 veröffentlichte der Mönch eine Reihe von Vorwürfen gegen die katholische Kirche unter der Führung des Papstes. Darin prangerte er insbesondere den Ablasshandel an, d. h. das Angebot an die Gläubigen, sich die Vergebung ihrer Sünden zu erkaufen. In Deutschland, das von seinen Herrschern lange Zeit zugunsten Roms und des Papsttums vernachlässigt worden war, waren seine Schriften so erfolgreich, dass sie zu einem großen religiösen Konflikt führten. Als Reaktion darauf wurde 1555 im Frieden von Augsburg versucht, die Lage zu beruhigen, indem den verschiedenen souveränen Fürsten Deutschlands die Wahl gelassen wurde, sich entweder dem Katholizismus oder dem aufkommenden Protestantismus anzuschließen. Zwei Drittel Deutschlands schlossen sich daraufhin dem lutherischen Protestantismus an. Seitdem ist Deutschland zwischen diesen beiden Glaubensrichtungen geteilt, was nicht ohne Konflikte abläuft. Dieser religiöse Konflikt war maßgeblich am Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges beteiligt, der Europa zwischen 1618 und 1648 zerrüttete. Trotz ihrer Konflikte in der Vergangenheit pflegen die beiden Kirchen heute ein herzliches Einvernehmen.

Etwa 50 % der Deutschen bekennen sich zum Katholizismus oder zum Protestantismus. Genauer gesagt: Ende 2021 waren laut Statistischem Bundesamt 26 % der Bevölkerung katholisch und 23,7 % protestantisch. Schematisch ausgedrückt bildet die Teilung zwischen den beiden eine Diagonale: Die nordöstlichen Bundesländer haben eine protestantische Tradition, während die südwestlichen Bundesländer katholisch sind. Bayern stellt sich selbst als das katholischste Bundesland dar. Aus diesem Bundesland stammt auch Benedikt XVI., der am 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde. Er war früher Diözesanpriester in Regensburg und ehemaliger Erzbischof und später Kardinal von München und Freising. Dennoch sind sowohl Katholizismus als auch Protestantismus überall präsent. Beide erleben heute einen starken Popularitätsrückgang, der auf beiden Seiten gleich stark ausgeprägt ist.

Der wachsende Anteil von Atheisten

Immerhin 41 % der Bevölkerung bezeichnen sich als Atheisten. Das Fehlen einer Religion ist in den ostdeutschen Bundesländern besonders ausgeprägt. Die Wiedervereinigung führte zu einem erheblichen Zustrom von Menschen, die keiner Religion angehören, und zu einer Welle von Ostdeutschen, die aus der Kirche austraten. Dieses Phänomen ist unter anderem das Ergebnis der kommunistischen Doktrin, die in der Religion "Opium für das Volk" sah, wie es der Marxismus formulierte. Auch heute noch sind die Bürger der ehemaligen DDR die am wenigsten gläubigen Menschen der Welt! Tatsächlich geben fast zwei Drittel der Einwohner dieser Staaten an, nie an Gott geglaubt zu haben, während es in Westdeutschland nur 10 % sind. Die am wenigsten gläubigen Staaten sind somit Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, die alle zwischen 70 und 80 % Atheisten aufweisen.

Die Wiedervereinigung war jedoch nur der Beschleuniger eines bereits begonnenen Phänomens, da der Atheismus einen immer größeren Teil der Bevölkerung betrifft, vor allem - aber nicht nur - junge Menschen. Sie sind der Ansicht, dass die Kirche zu weit vom modernen westlichen Lebensstil entfernt ist, und haben aufgrund der zahlreichen Kontroversen, die sie betreffen, wie z. B. die Kontroversen um die Abtreibung, den Glauben an die Institution verloren. Eine weitere große Kontroverse betraf die systematische Anbringung von Kruzifixen in öffentlichen Schulen in Bayern, einem Bundesland mit einer sehr starken katholischen Tradition. Die Kläger waren der Ansicht, dass diese auffälligen Zeichen die Religionsfreiheit im öffentlichen Raum einschränkten. Das deutsche Bundesverwaltungsgericht gab am 19. Dezember 2023 den bayerischen Behörden Recht, dass sie nicht verpflichtet sind, vollständig auf religiöse Symbole zu verzichten. Die Entscheidung sorgte somit für viel Aufsehen auf der anderen Seite des Rheins.

Religiöse Minderheiten

Der Islam gewinnt in Deutschland immer mehr Anhänger, was vor allem auf die massive Zuwanderung aus muslimischen Ländern zurückzuführen ist, insbesondere aus der Türkei, die zwei Drittel der Gläubigen stellt, aber auch aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens oder in jüngerer Zeit aus Syrien und Afghanistan. Insgesamt stammen die Muslime in Deutschland aus etwa 50 verschiedenen Ländern. Schätzungen zufolge sind etwas mehr als 6 % der deutschen Bevölkerung Muslime, was den Islam zur drittgrößten Religion des Landes macht. Seit 2006 findet jedes Jahr die Deutsche Islamkonferenz statt, die den wichtigsten Rahmen für den Dialog zwischen der Regierung und den Gläubigen bildet. Umfragen der Deutschen Islamkonferenz zufolge halten sich 70% der Muslime in Deutschland an die Regeln des Islam, insbesondere was die Ernährung betrifft, und 40% beten täglich.

Große muslimische Gemeinden haben sich vor allem in Berlin sowie in den großen Städten Westdeutschlands gebildet, wo die Einwanderung, insbesondere aus der Türkei, sehr wichtig war, um der Industrie Arbeitskräfte zu verschaffen. Die Frage ihrer Integration ist in Deutschland oft ein heißes Thema, wie der Bau der Moschee in Köln zwischen 2009 und 2013, der hitzige Debatten auslöste. Zahlreiche Politiker, Personen des öffentlichen Lebens, aber auch ganz normale Bürger positionierten sich damals gegen die Islamisierung einer Stadt mit christlicher Tradition. Auch die Größe der Moschee, die zu den größten in Europa zählt, und die beiden 55 m hohen Minarette sorgten für Kontroversen in einer Stadt, die eine der größten Kathedralen der Welt besitzt. Auch das Tragen von Kopftüchern ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen, insbesondere in Bildungseinrichtungen. Im April 2024 sorgte eine islamistische Demonstration mit ein- bis zweitausend Teilnehmern in Hamburg, die sich vor allem über die den Muslimen in Deutschland aufgezwungenen Werte beschwerten, für einen landesweiten Skandal. Die Kontroverse entstand vor allem dadurch, dass viele der Demonstranten die Errichtung eines Kalifats forderten, d. h. einer politischen Macht, die von einem Kalifen, d. h. einem Nachfolger Mohammeds, ausgeübt wird. Trotz der Islamfeindlichkeit, die eine Minderheit darstellt, können die Muslime in Deutschland gut leben. Es gibt 2.700 Moscheen in ganz Deutschland und Gebetsräume, wie z. B. den Gebetsraum im Frankfurter Flughafen. Viele Städte und Privatunternehmen bemühen sich um Integration, wie z. B. Frankfurt, das 2024 als erste Stadt des Landes eine Beleuchtung zur Feier des Ramadan anbrachte.

Das Judentum hingegen betrifft weniger als 1 % der Bevölkerung. Vor dem von den Nazis verübten Völkermord der Shoah gab es fünfmal so viele Juden in Deutschland wie heute. Der Großteil der Gemeinschaft konzentriert sich in einigen Großstädten wie Berlin, München und Frankfurt. Es gibt auch eine kleine christlich-orthodoxe Gemeinschaft, die durch die slawische Einwanderung aus Russland und Osteuropa entstanden ist.

Schließlich ist in Deutschland, wie in vielen anderen westlichen Ländern auch, ein Anstieg der Popularität neuer Spiritualitäten und der Esoterik zu beobachten. Dieser Aufschwung ist unter anderem auf den Niedergang der traditionellen Religionen zurückzuführen, der viele Deutsche dazu veranlasst hat, nach alternativen Formen der Spiritualität zu suchen. Astrologie ist in den letzten Jahren besonders populär geworden, ebenso wie Tarot und Wahrsagerei, New-Age-Glauben und sogar heidnische Rituale. Der Markt für Produkte und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Spiritualität boomt in Deutschland.

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