Eine reiche und einflussreiche Kirche
Die mächtige österreichische Kirche erhält 1 % des Einkommens jedes Bürgers. Eine Steuer, die 1939 von Hitler eingeführt wurde. Zu den religiös bedingten Bräuchen, die bis heute fortbestehen, gehört das Verschenken einer Sahnetorte in der Karwoche. Viele Österreicher besuchen nach wie vor regelmäßig die Sonntagsmesse, vor allem auf dem Land. Außerdem werden religiöse Denkmäler und Gebäude besonders gut gepflegt und sind in der Regel jeden Tag für die Öffentlichkeit zugänglich, ganz im Gegensatz zu Frankreich, wo man oft vor verschlossenen Türen steht, wenn man eine ländliche Kirche besuchen möchte. Wenn Österreich als eines der konservativsten Länder Europas gilt, scheint das Gewicht der katholischen Religion daran nicht unbeteiligt zu sein. Der Katholizismus prägt die Mentalität der Menschen immer noch stark. Sowohl bei religiösen Festen als auch bei großen Zeremonien, die das Familienleben prägen, ist die Teilnahme an den Gottesdiensten ungleich höher als in den westeuropäischen Ländern.
In den Dörfern gehen viele Österreicher jeden Sonntag in traditioneller Kleidung zur Messe. Der Staat garantiert die Ausübung der Religion, den Schutz der Einrichtungen, der Gelder, die Autonomie in der Verwaltung und die Regelung der internen Angelegenheiten der Kirche. Zusätzlich zum Religionsunterricht, der in den staatlichen Schulen verbreitet wird, haben die Geistlichen das Recht, konfessionelle Privatschulen zu eröffnen. Das Gesetz über die religiöse Erziehung von Kindern besagt, dass jedes Kind ab 14 Jahren seine Religion wählen kann. Die Beziehungen zwischen dem österreichischen Staat und der Kirche fallen unter internationales Recht und werden gleichzeitig durch Vereinbarungen mit dem Vatikan geregelt. Die finanzielle Macht der Kirche ist allein schon an der Anzahl der perfekt instand gehaltenen religiösen Denkmäler im ganzen Land zu erkennen. Sowohl die Diözesanpriester als auch die Ordensleute der Kongregationen werden von der Bevölkerung respektiert. Wenn Sie in der Karwoche, zu Weihnachten oder um den 15. August herum kommen, können Sie den religiösen Eifer des Volkes ermessen und an schönen religiösen Festen teilnehmen. Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung des Landes verankert und religiöse Praktiken sind erlaubt. Andere Religionen, die in Österreich vertreten sind und praktiziert werden, sind hauptsächlich der Islam und zu einem sehr kleinen Teil das Judentum, vor allem in Wien, sowie, von einer sehr kleinen Minderheit, der Buddhismus. Etwas weniger als 10 % der Einwohner Österreichs sind muslimischen Glaubens. Ein großer Teil der Muslime in Österreich sind Nachkommen der Gastarbeiter, die in den 1960er Jahren als ausländische Gastarbeiter eingeladen wurden. Im Jahr 1971 waren es 22.267, 1981 76.939. Die Jugoslawienkriege (1991-2001) mit der Ankunft zahlreicher Flüchtlinge - 158.776 im Jahr 1991 und 338.988 im Jahr 2001 - trugen dazu bei, die Reihen der Muslime in Österreich zu stärken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die überwiegende Mehrheit der Muslime in Österreich heute türkischer Abstammung ist und eine große Minderheit bosnischer Abstammung ist.
Umstrittene "Islamkarte" in Österreich
In Österreich ist es nicht leicht, Muslim zu sein. Ende Mai 2021 stellte die österreichische Regierung im Rahmen ihres Kampfes gegen den "politischen Islam" eine "Islamkarte" des Landes vor und veröffentlichte sie im Internet. Auf dieser Karte sind Moscheen und muslimische Vereine verzeichnet. Die Karte beunruhigte von Anfang an die Muslime und führte zu einem Aufschrei unter den humanistischen Strömungen. Auf dieser leicht zugänglichen interaktiven Karte sind die Namen und Adressen von über 600 Moscheen verzeichnet. Katholiken und Juden schlossen sich den Muslimen an und prangerten sie offen als diskriminierendes, ja sogar gefährliches Objekt an, das Fundamentalismen schüren könne. Am 4. Juni kritisierte der einflussreiche Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien, in einem Gastbeitrag in der Zeitung Heute die Präsentation dieser Online-"Islamkarte" durch die österreichische Regierung.
Die Rückkehr der rechtsextremen FPÖ an die Macht im Jahr 2017 hat das Zusammenleben der Gemeinschaften stark verschlechtert. In Österreich stieg die Zahl der islamfeindlichen Taten von 309 pro Jahr im Jahr 2017 auf 540 im Jahr 2018. In diesem Land machen Muslime fast 10 % der Bevölkerung aus, was eine der höchsten Raten in der Europäischen Union ist. Diese Religionsgemeinschaft wird seit langem von Rechtsextremen stigmatisiert, die keine Skrupel haben, Informationen zu verfälschen, um Ängste und Rassismus zu schüren. Zur Erinnerung: Muslime sind in Österreich offiziell nach dem Gesetz registriert, was nicht gerade komfortabel gelebt wird.
Der Vorsitzende der Föderation der Muslime in Österreich, der IGGÖ, die 360 Moscheen leitet, bemüht sich, die Radikalisierung in den eigenen Reihen zu bekämpfen, kann aber nicht die Tatsache verschweigen, dass der rechtsextreme Terrorist Brenton Tarrant, der im März 2019 die Anschläge in Christchurch (Australien) auf zwei Moscheen (51 Tote) verübte, die radikale Identitätsbewegung in Österreich finanziell unterstützt hatte. Und die Aufklärung dieses starken Netzwerks mit 300 identifizierten militanten Nationalisten steht noch aus. In der Zwischenzeit dürften sich die Muslime in Österreich sicherlich darüber freuen, dass Heinz-Christian Strache, der ehemalige Chef der extremen Rechten in Österreich, Ende Juni 2021 wegen Korruption verurteilt wurde, nachdem er 2019 nach einem Prozess als Vizekanzler zurückgetreten war.