Gesundheit und Gesundheitssystem
Die Lebenserwartung ist zwar stetig gestiegen und liegt über dem afrikanischen Durchschnitt, doch dahinter verbergen sich wachsende Schwierigkeiten. Die sozialistischen Regime haben ein Gesundheitssystem eingeführt, das für alle zugänglich ist. Im Jahr 1974 wurde der Zugang zur Gesundheitsversorgung sogar für alle kostenlos, doch derzeit ist es schwierig geworden, eine gute medizinische Versorgung zu erhalten, da die Krankenhäuser regelmäßig überfüllt sind, bestimmte Medikamente nicht erhältlich sind und die meisten von ihnen für den Durchschnittsalgerier recht teuer sind. Trotz der hohen Preise für Medikamente verfügen algerische Haushalte oft über eine umfangreiche Apotheke. Auf dem Land wird häufig auf die traditionelle Medizin vertraut, und die Verwendung von Pflanzen - deren Eigenschaften und Stärken in der Regel den Frauen bekannt sind - ist weit verbreitet. Endemische Gesundheitsprobleme sind Diabetes, Bluthochdruck und Unterernährung.
Paare und Ehe
Obwohl arrangierte Ehen weniger verbreitet sind, äußern die Eltern immer noch ihre Meinung, wenn sich ein junges Paar ohne Vermittlung kennenlernt, und lehnen die Brautleute gegebenenfalls ab. Wenn jedoch ein junger Mann um die Hand eines Mädchens anhält, hat sie das Recht, dies abzulehnen, selbst wenn die Familien einander bereits vorgestellt wurden... Die algerische Frau hat also viel mehr Freiheiten als in der Vergangenheit.
Was bei einer zukünftigen Verbindung oft ein Problem darstellt, ist die materielle Situation. Auf der einen Seite gibt es Wohnungs- und Arbeitsmangel für junge Männer und auf der anderen Seite gebildete junge Mädchen, die ihre berufliche Zukunft als mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger als eine Ehe ansehen und nach besseren Parteien Ausschau halten. Das Ergebnis: In Algerien wird weniger und später geheiratet. Am Tag des Festes, für das man sich möglicherweise hoch verschuldet, sind die Männer im Durchschnitt 33 und die Frauen 30 Jahre alt (in den Städten), während sie in den 1960er Jahren noch mit 18 Jahren heirateten. In Algier beispielsweise sollen 800.000 von fast 3 Millionen Einwohnern ledig sein, was etwa der Hälfte der über 15-Jährigen entspricht. Für die meisten jungen Menschen erschweren das Gewicht der Traditionen, der Blick der Gesellschaft oder die sehr ausgeprägte Trennung zwischen jugendlichen Mädchen und Jungen das Kennenlernen. Um sich den romantischen Kick zu verschaffen, ergänzt das Internet also die Kleinanzeigen oder die wenig appetitanregenden arrangierten Treffen. Um sich zu treffen, wird alles komplizierter. Man isoliert sich in den Parks und es ist schwierig, in ein teures Hotel zu gehen, wo der Rezeptionist vielleicht nach dem Familienstammbuch fragt, um ein Zimmer zu teilen. Es scheint jedoch, dass die Hotels auf der Suche nach neuen Kunden weniger anspruchsvoll geworden sind... Dennoch gibt es in der jüngeren Generation Paare, die im Konkubinat leben, aber das wird oft vor der Familie verborgen und sehr selten öffentlich gemacht. Daher bleibt die Ehe die offizielle Möglichkeit, den Wunsch nach einem gemeinsamen Leben auszudrücken. Aus diesem Grund organisieren muslimische Wohltätigkeitsorganisationen, die sich der Schwierigkeiten junger Paare und der damit verbundenen Frustrationen bewusst sind, sogar kollektive Hochzeiten, die weniger kostspielig sind und gewissermaßen gesponsert werden.
Vielleicht ist es übrigens aus all diesen Gründen so, dass die Eheschließungen in Algerien seit 2013 rückläufig sind, und laut Statistikern wird sich dieser Rückgang bis 2030 nachhaltig fortsetzen.
Sollten Sie jedoch jemals die Gelegenheit haben, einer Hochzeit in Algerien beizuwohnen, ist dies immer ein großer Moment. Die Vereinigung wird im Kreise der Familie gefeiert, die Hochzeitsfeierlichkeiten dauern eine knappe Woche. Wenn Ihnen auf der Straße mehrere überfüllte und "klingende" Sammeltaxis oder Minibusse begegnen, handelt es sich um eine Hochzeit. Eine Art und Weise wie jede andere, die Hochzeit anzukündigen! Jeden Abend wird gefeiert, gesungen und getanzt, die Männer auf der einen Seite, die Frauen auf der anderen. Es werden Tee und Limonaden getrunken, offiziell kein Alkohol... Sehr oft, das ist der neueste Trend, lassen die Gäste am helllichten Tag Feuerwerkskörper explodieren. Ja, es ist überraschend, aber es ist heutzutage weit verbreitet und sogar dabei, ein richtiger Brauch zu werden.
Die Scheidung
Die Verstoßung ist eine Art einseitige Scheidung, die vom Ehemann jederzeit beschlossen werden kann. Sie hat eine dreimonatige "Kündigungsfrist", während der die Frau in der ehelichen Wohnung bleiben darf und der Mann weiterhin für ihren Unterhalt sorgt. Nach Ablauf dieser Frist kann der Ehemann seine Entscheidung revidieren, in diesem Fall versöhnen sich die Eheleute wieder, oder die Frau muss das Haus verlassen. Der Koran befasst sich ausführlich mit dieser Form der Scheidung und rechtfertigt sie gegenüber den Frauen folgendermaßen: "Wenn er euch verstößt, wird sein Herr ihm dafür vielleicht bessere Ehefrauen geben als euch, die Gott ergeben, gläubig, fromm, gottesfürchtig sind und das Fasten praktizieren (LXVI, 5)." Diese Form der Scheidung geht mit keiner gesetzlichen Entschädigung einher, auch wenn der Koran sagt: "Die verstoßenen Frauen haben Anspruch auf eine angemessene Versorgung (II, 241)." Die gerichtliche Scheidung ist das Mittel, das der Frau zur Verfügung steht, um die Scheidung zu beantragen. Dazu muss sie jedoch ein Fehlverhalten des Mannes nachweisen, wie z. B. körperliche Misshandlung, mangelnder Unterhalt oder wiederholte Abwesenheit, und ihre Anschuldigungen müssen von Zeugen bestätigt werden. Die Scheidung wird nur dann ausgesprochen, wenn eine Versöhnung nicht möglich ist. Die Ausgleichsscheidung kommt der westlichen Scheidung am nächsten: Sie ermöglicht es der Frau, die Verstoßung durch ihren Mann zu verlangen, wenn sie nicht die Mittel hat, eine gerichtliche Scheidung zu beantragen. In diesem Fall muss sie ihrem Mann jedoch eine finanzielle Entschädigung für die Ehefrau zahlen, die er verliert, obwohl er nichts falsch gemacht hat, und der Mann hat immer noch die Möglichkeit, dies abzulehnen.
Frauen
Mit dem Befreiungskrieg, an dem Frauen teilnahmen, der Unabhängigkeit und dem nationalen Aufbau des Sozialismus hatte sich die Stellung der Frau deutlich verändert und war von einem eher archaischen Verständnis zu einer moderneren Anerkennung gelangt. Die Entwicklung der Stellung der Frau in der Gesellschaft bleibt jedoch angesichts des Gewichts von Traditionen und Vorurteilen schwierig.
Alles ging Anfang der 1980er Jahre zurück, als die Regierung von Chadli Bendjedid auf das Erstarken des islamischen Fundamentalismus reagierte und 1984 ein Familiengesetzbuch verkündete, das Frauen in der Gesellschaft zu ewigen Minderjährigen machte. Trotz einer Verfassung, die den Grundsatz der Gleichheit der Geschlechter anerkennt und jegliche Diskriminierung von Frauen allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit verurteilt, machte dieses auf dem Koran basierende Gesetz ihre Unterlegenheit gegenüber dem Mann offiziell und verweigerte ihnen die Möglichkeit, elementare bürgerliche und wirtschaftliche Rechte zu genießen. Es legalisierte unter anderem die Polygamie, die Gehorsamspflicht gegenüber dem Ehemann und dessen Verstoßung sowie die ungleiche Verteilung des Erbes. Abgesehen von offensichtlicher Vernachlässigung oder schwerer Misshandlung ist es für eine Frau nach wie vor schwierig, eine Scheidung zu erwirken. Bei vielen der heutigen sozialen Bewegungen geht es um die Sichtbarkeit der Frauen in der Gesellschaft. Frauengruppen und -verbände setzen sich für eine Überarbeitung, wenn nicht gar Abschaffung des Familiengesetzes ein. Das "neue" Familiengesetzbuch, das Bouteflika im März 2005 vorlegte, steht jedoch in der Tradition des vorherigen: Die Vormundschaft einer Frau durch ihren Vater oder einen anderen Mann sowie die Polygamie werden beibehalten, auch wenn im letzteren Fall die Meinung eines Richters erforderlich ist. Frauen können zwar von nun an das Sorgerecht für ihre Kinder und damit für die eheliche Wohnung im Falle einer Trennung beantragen und erhalten, doch können sie nur in bestimmten Fällen die Scheidung einreichen. Cafés, die traditionell von Männern besucht werden, öffnen zaghaft ihre Türen für Frauen und immer mehr Restaurants tragen die Aufschrift ayli, "familiär", und ermöglichen es Frauen oder Paaren, sich vertrauensvoll in Lokalen zu treffen, die sogar junge, alleinstehende Männer abweisen. Städterinnen gehen auch in Fitnessstudios, die es in Algier immer häufiger gibt, und engagieren sich dort manchmal auch beruflich. Seit einigen Jahren sieht man sogar Frauenfußballmannschaften in Kouba (einem Vorort von Algier) oder Tizi-Ouzou (JSK) in den Stadien trainieren. Bei einer Frau, die in männlicher Begleitung reist, darf man sich nicht wundern, wenn vorrangig der Mann angesprochen wird und sie an den verschwommenen Grenzen des peripheren Sehens zurückbleibt. Dies sollte vielmehr als respektvolle Haltung und nicht als Zeichen der Herabsetzung betrachtet werden.
Polygamie
Laut westlichen libertären Dichtern stammt diese alte Fantasie aus dem Orient. Wie dem auch sei, man muss wissen, dass die Polygamie einer vom Koran kodifizierten Tradition entspricht, weil sie schon lange vor der Geburt des Propheten existierte, der lediglich die Anzahl der erlaubten Ehefrauen von zehn auf vier reduzierte. Sie wurde von den Osmanen in Algerien eingeführt und ist von der Religion nur unter der Bedingung erlaubt, dass die Ehefrauen des Mannes in allen Bereichen gut behandelt werden ("Heiratet, wie es euch gefällt, zwei, drei oder vier Frauen. Aber wenn ihr befürchtet, nicht gerecht zu sein, dann nehmt nur eine Frau", heißt es im Koran, IV, 3) und die ersten Ehefrauen ihre Zustimmung geben. In Algerien ist es also laut Familiengesetzbuch völlig legal, mehrere Frauen zu haben, vorausgesetzt, die erste verheiratete Frau stimmt mit Unterschrift zu und ein Richter muss seine Meinung dazu abgeben. In der Praxis weigern sich die meisten Frauen, was den Ehemann oft dazu zwingt, letztendlich nur eine Ehefrau zu behalten. Da Polygamie teuer ist, behandeln Männer, die sich mehrere Frauen nehmen, nur selten alle ihre Ehefrauen gleich und es ist oft die letzte Ehefrau, die auf allen Ebenen bevorzugt wird.
Kleidung
Im heutigen Algerien ist der Unterschied zwischen der Kleidung der Jugendlichen in den Großstädten, deren Kleidung mit der westlicher Jugendlicher vergleichbar ist, und den traditionellen Trachten, die von der Landbevölkerung getragen werden, manchmal eklatant. In der Kabylei zum Beispiel tragen die Frauen noch sehr häufig das traditionelle, vorwiegend rote Kleid. Denken Sie daran, dass Sie sich in einem muslimischen Land befinden, dessen Kleiderordnung sich teilweise von unserer unterscheidet - weniger in Oran oder Algier. Vermeiden Sie Kleidung, die als aufreizend, zu tief ausgeschnitten oder zu kurz (Miniröcke und Shorts) empfunden wird. Im gleichen Sinne sollten Männer außerhalb der Badegebiete das Tragen von Shorts vermeiden. Vor allem die Landbevölkerung bleibt der traditionellen Kleidung treu, die je nach Region variiert.
