Koloniales Erbe
Barbados ist die einzige Karibikinsel, die nur von den Briten besiedelt wurde, was ihrer Architektur ein einzigartiges Gesicht verleiht. Dies gilt umso mehr, als die Siedler einheimische Materialien wie Kalkstein, Korallen und sogar Ballast aus den Laderäumen der Schiffe bevorzugt haben! Das historische Zentrum von Bridgetown, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, ist ein sehr schönes Beispiel für diese Mischung aus Militär-, Handels- und Stadtarchitektur, die ein Symbol für die Expansion des Britischen Empire ist. Die Stadt bewahrt einen labyrinthartigen Stadtgrundriss, der an mittelalterliche englische Städte erinnert. Hinter diesem organischen Städtebau lässt sich jedoch eine Planung erahnen, insbesondere bei der Anordnung der Docks und Lagerhäuser aus Holz, Ziegel und Stein, die von mächtigen Befestigungsanlagen geschützt wurden. Parallel dazu entstanden auf der Insel zahlreiche religiöse Gebäude, die meist im jakobinischen und georgianischen Stil erbaut wurden. Letztere entlehnen ihr Vokabular der Antike und verwenden reichlich kunstvolle Bögen, Säulen, Pilaster, Gesimse und Zierleisten, während der georgianische Stil eher monumental, ausgewogen und symmetrisch ist. Saint Nicholas Abbey ist ein schönes Beispiel für den jakobäischen Stil, während die Pfarrkirchen Saint Lucy und Saint George wertvolle Zeugen des georgianischen Stils sind. Ein weiteres Muss ist das Codrington College. Das Hauptgebäude dieses Theologie-Colleges wurde nach dem Vorbild des Oxford-Vierecks erdacht! Unter britischer Führung war Barbados die erste Karibikinsel, die die Zuckerindustrie entwickelte. Dieses industrielle Erbe lässt sich an dem großen Steinturm mit vier Flügeln erahnen, der die Mahlwalzen der Morgan Lewis Mühle antreibt, der letzten funktionierenden Zuckerrohrmühle; vor allem aber an den großen Plantagenhäusern. Diese tragen das Zeichen eines hybriden Stils, der als tropischer Georgianismus bezeichnet wird. Obwohl sie die europäische Monumentalität und Symmetrie beibehalten, wurden diese Häuser auch an die klimatischen Bedingungen angepasst. Hohe Gewölbedecken, überdachte Innenhöfe, Vordächer, Veranden - alles ist auf Belüftung und Kühle ausgelegt. Das Fustic House und das Sunbury Plantation Great House zählen zu den schönsten Häusern der Insel. Der britische Einfluss zeigt sich auch in den Parlamentsgebäuden mit ihren schönen Glasfenstern, ihrer Silhouette aus handgeschliffenem Korallenkalkstein, ihrem in England hergestellten gusseisernen Zaun und natürlich ihrem neogotischen, zinnenbewehrten Uhrenturm. Die Single Houses, die man an ihren mehrstöckigen, schmalen Gebäuden, steilen Giebeldächern und Veranden erkennt, sind weitere wichtige Zeugen der englischen Präsenz, wie das Arlington House in Speightstown. Und nicht zu vergessen sind die Leuchttürme, deren zylindrische oder achteckige Silhouetten aus Stein oder Beton die Küsten säumen. Der 1852 errichtete Leuchtturm von South Point ist der älteste der Insel. Dieser große Turm aus Gusseisen wurde nach Barbados verschifft, nachdem er auf der Großen Ausstellung in London ausgestellt worden war!
Vernakuläre Reichtümer
Das Chattel House war ein Symbol für die Emanzipation der Arbeiter, die nun vom Joch der Sklaverei befreit waren. Da sie sich je nach Arbeitsgelegenheiten fortbewegen mussten, brauchten sie ein Haus, das sich leicht aufbauen und transportieren ließ. Das ebenerdige Chattel House hat einen rechteckigen Grundriss und ist aus Kiefernholzbrettern und Zedernholzschindeln gebaut. Es hat einen Wohn- und einen Schlafbereich, wobei sich die Küche und das Badezimmer im Freien befinden. Das Fundament besteht aus Korallen- oder Kalksteinblöcken, wodurch die Böden erhöht werden können. Das Dach besteht meist aus Wellblech und ist an den Ecken besonders verstärkt, um Hurrikanen zu widerstehen. Zu Beginn war das Chattel House eher schlicht gehalten, mit einem symmetrischen Grundriss (eine Tür, zwei Fenster), einheitlichen Strukturen, die sich aus den vorgeschnittenen Längen des importierten Holzes ergaben, und braunen Farbtönen. Nach und nach wird das Haus jedoch mit kräftigen, karibischen Farben und von tropischem Eklektizismus inspirierten Einrichtungsgegenständen ausgestattet. Zu den typischen Merkmalen dieser neu gestalteten Chattel Houses gehören die mit Laubsägearbeiten verzierten Dachkanten, die Jalousien und die spitzenartigen Lambrequins. Im Laufe der Zeit fügten viele Familien der bereits vorhandenen Struktur weitere Teile hinzu und entschieden sich für Zement- oder Betonfundamente und Fensterrahmen aus Kunststoff oder Metall. Heute ist das Chattel House als umweltfreundliche und kostengünstige Alternative zu den städtischen und klimatischen Herausforderungen wieder in den Vordergrund gerückt. Eine Ikone, die immer noch aktuell ist!
Zeitgenössische Kreationen
Das Spielfeld des berühmten Kensington Oval in Bridgetown wurde komplett neu gestaltet, um den Abfluss des Regenwassers zu erleichtern und es zu sammeln, um die Entstehung von Brackwassersümpfen zu verhindern. Die Tribünen sind vom Spielfeld getrennt und bieten dank der Verwendung lokaler Materialien, die den Wirbelstürmen standhalten sollen, Schatten und Belüftung. Ein Beispiel hierfür ist der wunderschöne 3W's Pavilion, der mit seinen futuristischen Kurven in strahlendem Weiß erstrahlt. Neben wunderschönen zeitgenössischen Villen mit klaren Linien gibt es auf der Insel auch erstaunliche Sanierungsprojekte wie das Hotel Wyndham Grand Barbados, in das das Sam Lord's Castle integriert wurde, ein anglo-italienisches Herrenhaus, das von einem ebenso mysteriösen wie legendären Piraten erbaut wurde! Barbados setzt auch auf nachhaltige Architekturprojekte wie den neuen Komplex der US-Botschaft, der eine der höchsten Umweltzertifizierungen erhalten hat und dessen Silhouette aus Korallenkalkstein sowie die Landschaftsarchitektur mit einheimischen Baumarten bewundert werden kann. Im Jahr 2025 wird Barbados den Barbados Heritage District eröffnen, eine Gedenkstätte, ein Museum und ein Forschungsinstitut für Sklaverei, das von dem berühmten anglo-ghanaischen Architekten David Adjaye entworfen wurde. Der Komplex wird sich auf dem Gelände der Newton Plantation befinden und an das Newton Enslaved Burial Ground Memorial angrenzen, in dem die Leichen von 570 Frauen, Männern und Kindern gefunden wurden. Ein kuppelförmiger Eingangspavillon aus rotem Laterit wird über eine ansteigende Rampe mit einem kreisförmigen Erdhügel verbunden sein, von dem 570 mit Messing verkleidete Holzbalken in quadratischer Anordnung aufragen werden. Bei der Gestaltung der Gedenkstätte ließ sich David Adjaye von der afrikanischen Philosophie und den afrikanischen Bestattungstraditionen inspirieren. Architektur gegen das Vergessen.