ORPHELINAT DE GARÇONS DE BINGERVILLE

Architektur. Das Waisenhaus für Jungen in Bingerville ist in dem Gebäude untergebracht, das einst der Gouverneurspalast war. Das Gebäude wurde auf dem ehemaligen Friedhof von Adjamé errichtet und 1912 nach siebenjähriger Bauzeit mit aus Frankreich importierten Dachstühlen, Jalousien und Fensterrahmen fertiggestellt. Mit seiner majestätischen Doppeltreppe und den schönen Fensterläden mit Jalousien weist dieses schöne Haus eine Architektur auf, die dem Kolonialstil von New Orleans ähnelt, der übrigens alle Gouverneursresidenzen kennzeichnet, die zu dieser Zeit in Schwarzafrika gebaut wurden. Witziges Detail: Das Hauptgebäude stellt einen Elefanten dar und vom Balkon aus kann man auf dem Boden den Kopf mit den Ohren erkennen, die vom Rasen geformt werden, während die doppelte Treppe die Stoßzähne darstellt.

Geschichte. Die verschiedenen Kolonialverwalter der Kolonie Côte d'Ivoire wohnten hier bis 1934, als die Hauptstadt nach Abidjan verlegt wurde. Das "Haus mit den 100 Türen" nahm ab 1935 die ersten kleinen Bewohner auf, die aus außerehelichen Beziehungen der Siedler mit "einheimischen" Frauen stammten - um es klar zu sagen, die meisten stammten aus kolonialen Vergewaltigungen. Während die Einrichtung ursprünglich dazu bestimmt war, kleine "Bastarde der Kolonie" aufzunehmen, die sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits abgelehnt wurden, nahm sie später auch Waisenkinder von Tirailleurs auf, die an der Front für Frankreich gefallen waren, um ihnen in Anerkennung des Opfers ihrer Väter eine Ausbildung zukommen zu lassen. So wurde im November 1953 aus dem Foyer des Métis das Nationale Waisenhaus der Elfenbeinküste (Orphelinat National de Côte d'Ivoire). Zwischen 1966 und 1967 nahm die Einrichtung unter der Schirmherrschaft des Roten Kreuzes einige Waisenkinder aus dem Biafra-Krieg auf. Aufgrund der steigenden Zahl der Unterbringungen und der Notwendigkeit, die Mädchen von den Jungen zu trennen, wurden die Mädchen in das 1972 gegründete Nationale Mädchenwaisenhaus in Grand-Bassam aufgenommen, während das Waisenhaus weiterhin den Jungen vorbehalten blieb.

Das Waisenhaus heute. Das schöne Gebäude aus der Kolonialzeit beherbergt etwas mehr als 200 Kinder. Die meisten von ihnen sind Vollwaisen, aber es gibt auch "Teilwaisen", d. h. Kinder, die verlassen wurden oder deren Eltern sich nicht um sie kümmern können. Der ivorische Staat stellt zwar Gelder zur Verfügung, doch Spender, und sei es nur in Form von Besuchszeiten, sorgen für eine wichtige zusätzliche Unterstützung, die den Kindern vor allem Zugang zu außerschulischen Aktivitäten wie Theater, Kino, Malen und Ausflügen außerhalb der Stadt ermöglicht.